Bewertungskriterien im Unterrichtsalltag überdenken: Melde sich, wer kann?

(Vorlage für eine Notenliste, Fundort: teachSam, letzter Zugriff am 28. Juli 2022)

Ist doch in den Kernlehrplänen und durch die Fachkonferenzbeschlüsse alles geregelt: Dieser Bereich „Sonstige Mitarbeit“. Listen sind herunterladbar, Symbole oder ganze Tagesnoten schnell gefunden und mit allem kann ein ach so toller Kalkulator einfach gefüttert werden. Zack, da ist die Note. Stellen wir unsere Schüler:innen also jeden Tag auf diesen Prüfstand, lassen wir sie sich doch einfach stündlich bewähren, dann wird es schon fair und transparent sein. Ein damaliger Lehrer verlas in den 1990ern Stund um Stund zu Beginn: Ingerfeld steht 2,386. In der Stunde darauf: 2,345 - echt.

Auch ich führte zu Beginn meiner Berufstätigkeit nach jeder Stunde die gelben Notenhefter des Schreckens mit drei lustigen Symbolen. Aus zweieinhalb Gründen entschied ich mich aber schnell und so auch in diesem Schuljahr wieder dagegen. Dieses Mal schreibe ich darüber:

  1. Weil ich mit meinen Referendar:innen im Fachseminar einsteigen werde in das Thema „Leistungsbewertung“ und hierzu ganz aktuell im #twlz wertvolle Blickwinkel* sondiere und neugierig bin, was wir zum Zeitpunkt, da meine Referendar:innen frisch in den selbstständigen Unterricht starten, an konkreten Beispielen diskutieren und mit Blick auf mindestens dreizehn verschiedene Lerngruppen umsetzen und reflektieren wollen.

  2. Weil ich mit meiner neuen Klasse 8 (und deren Eltern) darüber ins Gespräch kommen möchte, wie sie ihr Verstehen, ihr Lernen und ihre Leistung im Fach Deutsch sichtbar machen wollen und können.

  3. Weil meine Form der Leistungsbewertung immer auch eine Aussage über meinen Unterricht und mich ist - und da lautet das Credo eben nicht: Melde sich, wer kann und ich nehm dran.

Den Ausschlag, nicht stundengenau Buch führen zu wollen, gab Juliane Köster mit ihrer Unterscheidung zu Lern- und Leistungsaufgaben. Die gleichmachende Zentrierung auf mich und meine Aufgaben, aber auch Überlegungen zur Prozessorientierung und zu Chancen und Möglichkeiten durch formatives Assessment ließen mich außerdem umdenken.

Schüler:innenleistungen zeigen sich in mehr als in dem bloßen Aufzeigen in dem konkreten Moment des plenaren (Ab-)Fragens. Das Schüler:innenverstehen und deren Leistungen können vielfach ausgedrückt werden, wenn wir es (auch in der Unterrichtsgestaltung) nur möglich machen. Die Gewissheit auf Seiten der Lernenden, dass diese Vielzahl berücksichtigt wird und wir darüber in den Dialog kommen, kann Freiräume ermöglichen, Druck nehmen und Ängste abbauen. Iris inspiriert mich in diesem Zusammenhang übrigens besonders, will sie doch ihre Schüler:innen entscheiden lassen, wann und wie häufig eine Leistung berücksichtigt wird.

Für den Deutschunterricht und meine neue Klasse habe ich nun begonnen, solche Bereiche aufzulisten, über die Lernende das Lernen und Leisten sichtbar machen können. Mit ihnen zusammen möchte ich auch darüber nachdenken, welche Phasen ihrer Mitarbeit einbezogen werden sollen. Meine Schüler:innen selbst sollen in ihrer ersten Woche zu Wort kommen. Dies werde ich zum Mitlesen ergänzen. Noch sind Ferien.

Die o.g. Liste ist nicht final. Solltet ihr Ergänzungen oder Anregungen haben, so nehmt gern über den Blog Kontakt mit mir auf.

Zum Abschluss: Solltet ihr auf diesen Beitrag gestoßen sein, weil ihr euch im Fach- oder Kernseminar gerade mit dem Thema beschäftigt, wäre es schön, wenn wir uns gegenseitig inspirieren. Wie ist euer Zugriff auf das Thema? Wie arbeitet ihr mit und in euren Seminaren hierzu?

*Maßgeblich inspiriert haben mich Iris Laube-Stoll (Regelung und Vertrauen), Patricia Drewes (Menschenbild, Verstehen und Leistung sichtbar machen), Jan Mandler (Metapher der Dressur), Jürgen Drewes (Chancen des Digitalen und Überlegungen zu Bewertungskriterien durch Schüler:innen) und Gaby Heintz (Kooperation und Kollaboration). Herzlichen Dank.

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