Künstliche Intelligenz im Fremdsprachenunterricht: Kann Vieles erleichtern.
Genauso wie andere digitale Anwendungen ist Künstliche Intelligenz nicht per se gut oder schlecht: Sie ist, was wir aus ihr machen. Genauso wie andere digitale Anwendungen geht Künstliche Intelligenz nicht mehr weg: Viel mehr noch, in der Zukunft wird sie Nutzungsformen ermöglichen, die wir uns jetzt noch gar nicht vorstellen können. Schüler:innen müssen sie kennen und kompetent anwenden können - warum nicht jetzt schon?
Der Einsatz von DeepL schon im Anfangsunterricht
In den ersten Jahren nach dem Aufkommen maschineller Übersetzungstools befasste sich die Forschung hauptsächlich mit deren Mängeln bei der Übersetzung und möglichen Gefahren für den Fremdsprachenunterricht. Aufgrund des qualitativen Fortschritts dieser Anwendungen im letzten Jahrzehnt gibt es nun auch immer mehr Forschungsbeiträge, die sich für das Potential der MT (machine translation) interessieren. Die meisten Studien beziehen sich auf die universitäre Lehre, eines der wenigen Beispiele für den schulischen Bereich ist die von Perrin, Diederich, Wild und Grimm, in der die Nutzung von DeepL und LEO aus der Sicht von Lernenden der Sekundarstufe I am Beispiel einer Schreibaufgabe untersucht wird (Perrin, R., Diederich, C., Wild, S., & Grimm, L. (2022). Überzeugungen von Lernenden der Sekundarstufe I zur Nützlichkeit der Übersetzungstools DeepL und LEO für die Wortschatzarbeit im Fremdsprachenunterricht. Babylonia Journal of Language Education, 1, 38–41).
Meine Schüler:innen dürfen DeepL und die Pons App von Beginn an zum Verfassen eigener Texte nutzen. Dadurch gelingt es, ihren Ausdruckswillen ernst zu nehmen und ihnen zu ermöglichen, wirklich darüber zu sprechen, worüber sie sprechen möchten: Wenn sie digitale Übersetzer nutzen, müssen sie nicht zwei aus sieben eingeführten Hobbies wählen, denen sie womöglich gar nicht nachgehen und sie müssen sich auch nicht mit immergleichen Satzstrukturen langweilen. Das hat Konsequenzen für meine Unterrichtsplanung. Gerade im Anfängerunterricht kann ich Ausdrucksbedürfnisse der Schüler:innen gut aus den Texten herauslesen. Wenn sie z.B. über ihre nachmittäglichen Aktivitäten schreiben (in Encuentros hoy in Unidad 2), dann benutzen sie das spanische Gustar (gefallen), welches zu diesem Zeitpunkt häufig noch nicht eingeführt wurde, sie möchten Musikinstrumente und Sportarten nennen können und abwechslungsreiche Satzanfänge verfassen. Dazu nutzen sie DeepL, obwohl ihnen die Strukturen der dort ausgespuckten Sätze noch völlig fremd sind. Meine Aufgabe ist es, nach der Sichtung der Schüler:innentexte diese Strukturen für die Lernenden so aufzubereiten, dass sie dazu in der Lage sind, sie selbstständig bilden zu können. Neue Grammatik und neuer Wortschatz werden also dann eingeführt, wenn Schüler:innen sie nutzen möchten, beide werden in einer dem Schreiben nachgeschalteten Phase kognitiviert, geübt und erneut - nun selbständig - angewandt. Ich arbeite also zweiwegig: Ich führe nach wie vor bestimmte sprachliche Mittel - auch mit Hilfe des Lehrbuchs - ein, lasse sie üben und anwenden und öffne in der Folge beim Schreiben schon zu einem sehr frühen Zeitpunkt. Das führt dazu, dass meine Schüler:innen schon recht gut Texte schreiben können, sie können reflektiert mit Pons und DeepL umgehen, ohne ihnen blind zu vertrauen und sie wissen um deren Nutzen und Nicht-Nutzen genauso wie um das Ziel: Selbständig Sprache zu produzieren. Bei all dem dürfen sie auch danebenhauen - natürlich kommen ab und an sinnlose Sätze heraus und natürlich können Schüler:innen das in einem frühen Lernstadium nicht immer beurteilen. Dazu bin ich da. Dazu sprechen wir über Geschriebenes. Dazu probieren wir gemeinsam aus und denken über DeepL nach. Bisher überwiegt der Nutzen sehr. Und auch Differenzierung beim Weiterlernen auf Basis des eigenen Textes ist möglich: Nicht jedes sprachliche Mittel muss jede:r Schüler:in zum gleichen Zeitpunkt schon kennen, es kommt auch vor, dass ich Texte lese und entsprechend individuell genutzte Materialien zur eigenständigen Erarbeitung bereit stelle.
Chatbots zur Entlastung von Lehrkräften und zur Unterstützung von Lernenden
Viel interessanter als die Verwendung von Übersetzungstools sind aber sogenannte Chatbots, d.h. Sprachverarbeitungsprogramme, die mit Hilfe künstlicher Intelligenz Fragen beantworten und reale Gespräche simulieren können. ChatGPT zum Beispiel kann das auch auf Spanisch und zwar sehr gut. Es gibt zahlreiche Möglichkeiten, ChatGTP bei der Unterrichtsplanung sinnvoll einzusetzen, hier einige Ideen:
Häufig fehlt es in Lehrwerken im ersten Lernjahr an Texten, die Informationen zur Erweiterung des soziokulturellen Orientierungswissens enthalten. Authentische Texte sind, auch wenn sie adaptiert sind, oft noch zu schwierig. ChatGPT kann in Minutenschnelle ordentliche landeskundliche Texte auf unterschiedlichen Niveaustufen des GER verfassen. Ob die nun auf A1 oder A2 anzusiedeln sind, ist an dieser Stelle nicht unbedingt von Belang, einen deutlichen Unterschied in Struktur und Wortschatz zwischen A1 und B2 ist aber erkennbar. ChatGTP kann aber noch mehr: Wenn ich dem Bot auftrage, eine bestimmte Anzahl an Adjektiven zu benutzen, funktioniert das prima, ebenso kann ich ihn mit anderen Vorgaben füttern, sodass es mir in sehr kurzer Zeit möglich ist, didaktisierte Texte auf einer passenden Niveaustufe für meine Lernenden zu erstellen. Auch Differenzierungsmöglichkeiten gelingen auf diese Weise ohne großen Zeitaufwand. Natürlich sind auch andere Textsorten möglich, z.B. dialogische Formen, etc.
ChatGPT kann detaillierte und passende Vokabellisten erstellen, das unterstützt sowohl Lehrkräfte als auch Lernende bei der Wortschatzarbeit: Wortschatz kann hier thematisch zusammengestellt und geordnet werden.
Im fortgeführten Fremdsprachenunterricht können Chatbots Schüler:innen dabei helfen, eigene Texte zu planen, z.B. bei der in Klausuren immer wieder geforderten Sachtextanalyse: Sprachliche Mittel findet die KI ganz zuverlässig nach Eingabe des Textes und des entsprechenden Befehls, ebenso kann sie erste Aussagen bezüglich der Wirkung eines Textes auf die Leserschaft treffen. Das ist noch oberflächlich und fast immer zu allgemein und floskelhaft, aber die Antworten der KI sind sprachlich korrekt und flüssig formuliert und können auf diese Weise Unterstützung gerade im Bereich der Darstellungsleistung sein.
Von KI verfasste Texte, z.B. die Analyse eines Sachtextes, können Schüler:innen als Textgerüst beim Verfassen eigener Texte dienen: Der von der KI verfasste Text wird als Grundlage des eigenen Textes genommen, überarbeitet und erweitert. Auch vorstellbar ist die umgekehrte Reihenfolge: Lernende erstellen eigene Texte und lassen sie von der KI überarbeiten oder sie vergleichen die von KI erstellten Texte mit dem eigenen - die Möglichkeiten sind mannigfaltig.
Allen hier gesammelten Anwendungsmöglichkeiten von KI ist eines gemein: Über Künstliche Intelligenz muss im Fremdsprachenunterricht offen und transparent gesprochen werden. So wie Schüler:innen selbständig mit anderen Hilfsmitteln umzugehen lernen, lernen sie es mit KI: Sie wählen unterschiedliche Anwendungen bedarfs- und anlassgerecht aus, nutzen sie kompetent, reflektieren ihren Einsatz in Bezug auf ihr fremdsprachliches Lernen und erweitern ihre Kenntnisse über Möglichkeiten und Grenzen stetig. Wenn Künstliche Intelligenz so genutzt wird, dass sie selbständiges, individualisiertes, Unterricht öffnendes Lernen fördert, ist sie im Fremdsprachenunterricht sehr richtig. Dass der Einsatz von KI irgendwann konsequent mitgedacht werden muss, steht außer Frage. Der erste Patient - Prüfungsformate.